Thomas Kiersch hat sich als freiberuflicher Musikpädagoge, Leiter zahlreicher Chöre und Ensembles, Komponist und Projektleiter in der
Region einen Namen gemacht. Ist der einstmals jüngste Bundeschorleiter des Niddatal-Sängerbundes damit am Ziel seiner Wünsche und auf der obersten Sprosse der Karriereleiter angelangt? Der
Kreis-Anzeiger fragte nach bei dem musikalischen Allrounder aus Bellmuth, der seine ersten Lorbeeren bereits als Schüler der Gesamtschule Konradsdorf erwarb.
Es war damals das von Ihnen selbst komponierte Musical „First Love“, mit dem Sie bei Ihren Mitschülern, bei Lehrern und Eltern für Furore sorgten...
Thomas Kiersch: Hören Sie auf, die Erinnerung daran ist mir heute eher peinlich! Aber es ist schon wahr: „First Love“ markiert meine ersten musikalischen Gehversuche und beinhaltete für mich
damals jede Menge Erfahrung, auch im Umgang mit Chor, Orchester, jungen Solisten, Regie, Bühne und Publikum.
Seitdem hat sich in Ihrer musikalischen Biografie jede Menge getan - wie viele Sängervereinigungen leiten Sie zurzeit?
Thomas Kiersch: Wenn man die Orte nimmt, an denen ich tätig bin, kommt man im Wesentlichen auf vier: Dauernheim, Nidda, Windecken und Dietesheim. Zählt man aber die diversen Untergruppen und
Ensemble zusammen, sind es bedeutend mehr. Das große Plus für mich: Unter meinen Chören sind Männer-, Frauen- und gemischte Formationen, Ensemble mit eher traditioneller und andere mit innovativer
Prägung. Nicht zu vergessen: meine 45 Klavierschülerinnen und -schüler, die Privatunterricht bei mir nehmen.
Bleibt das Privatleben dabei nicht auf der Strecke?
Thomas Kiersch: Sagen wir mal: Es gruppiert sich um all diese Verpflichtungen herum – denn jeder Chor erwartet ja nicht nur, dass ich die Singstunden professionell leite, sondern auch meine
Anwesenheiten bei Auftritten, Ausflügen und Festen, neue Ideen, Zukunftsperspektiven.
Es klingt, als ob Sie Ihren Traumberuf gefunden hätten – unter anderen Umständen lässt sich eine solche Fülle wohl kaum bewältigen.
Thomas Kiersch: Das ist tatsächlich so. Und auch, wenn es für mich eine große Herausforderung war, mit 27 das Amt des Bundes-Chorleiter des Niddatal-Sängerbundes zu übernehmen – damals als
jüngster Chorleiter seit Bestehen des Sängerkreises: Es hat sich gelohnt, mich mit vielen Menschen in Kontakt gebracht und mir erneut gezeigt, wie weit das Feld der Musik und des Chorgesangs ist. Es
gibt viel zu tun und jede Menge neue Trends: Nach der Gospel-Welle setzen zurzeit die Wise Guys wichtige Impulse, ebenso das Pop-Quartett Maybebop um Oliver Gies. Ideen kommen auch aus dem Internet,
per Youtube zum Beispiel, im Austausch mit anderen Chorleitern, auf Liederabenden und Fortbildungen.
Der Tradition können Sie aber, wie es scheint, durchaus ebenfalls Gutes abgewinnen? Immerhin war ihr Einstieg beim Niddatal-Sängerbund damals die Aufführung des Missa Katharina von
Jacob de Haan zum 100-jährigen Jubiläum des Sängerkreises in der katholischen Liebfrauenkirche Nidda und im Dormitorium von Kloster Arnsburg. Ein modernes Werk zwar – aber als Messe doch eng mit
geistlicher und liturgischer Tradition verbunden.
Thomas Kiersch: Ich kann geistlicher Literatur sehr viel abgewinnen, ebenso einem gut und spannend intonierten Romantiker wie Felix Mendelssohn-Bartholdy. Es kommt immer darauf an, die
Literatur auszuwählen, die zu dem Chor passt, den ich gerade vor mir habe – und ihn gleichzeitig zu fordern, an seine Grenzen und darüber hinaus zu gehen.
Fühlen Sie sich generell wohl in Ihren Chören und Vereinen?
Thomas Kiersch: Absolut, sonst könnte ich diesen vielseitigen und anspruchsvollen Job nicht machen. Im Wesentlichen tragen mich meine Sängerinnen und Sänger, nehmen auch neue Ideen begeistert
auf. Knacken und Knirschen im Gebälk – das gibt es auch in jeder Privatbeziehung. Und es lässt sich mit einem offenen Gespräch gut beseitigen.
Apropos privat: Spielen Sie eigentlich auch noch Klavier für sich – einfach so, zum Vergnügen?
Thomas Kiersch: Selbstverständlich! Das ist einerseits nötig, um für meine Klavierschüler in Übung zu bleiben – und andererseits nach wie vor eine große Freude.
Sie sagten schon, dass Musik und Gesang generell weite Felder sind, auf denen es immer etwas zu tun gibt. Haben Sie einen besonderen Zukunftstraum?
Thomas Kiersch: Die Gründung oder Leitung eines Orchesters könnte mich interessieren. Alleine schon deshalb, weil es Unmengen an toller Literatur für Chor gemeinsam mit Orchester gibt. Ein
weiterer Wunsch: mir mit einem Projektchor ein Requiem vorzunehmen, sei es von Mozart, Brahms oder Verdi. Derzeit steht aber für mich die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an erster Stelle. Hier
gibt es, gerade für die Traditions-Vereine, eine Menge Nachholbedarf. Es ist wichtig auch die nächste Generation für Musik an sich, und speziell für das Singen im Chor zu begeistern.
Wie man hört, verstehen sich Ihre Chöre auch untereinander gut und kommen immer wieder zu großen Treffen aller Kiersch-Chöre zusammen.
Thomas Kiersch: Stimmt, das ist eine Entwicklung, über die ich mich sehr freue.